Perspektivwechsel im Altenpflegeheim

Freitag, 20. Juni 6 Uhr – Ein Perspektivwechsel, der nachdenklich macht.

Bild: Ronny Kupke

Ich musste ein paar Tage vergehen lassen, um das Erlebte zu verarbeiten.
Für mich war es ein eindrücklicher, anstrengender wie auch intensiver Tag, für die Pflegefach- und Hilfskräfte, das Betreuungspersonal und die Hauswirtschaft war es schlicht ein Freitag. Und so durfte ich am 20. Juni einen Frühdienst im AWO-Pflegeheim Willy-Brandt-Haus in Chemnitz begleiten.

Einen kurzen Moment hielt ich inne, bevor der Tag beginnen sollte. »Ein stiller Gang in einem großen Haus, links und rechts Zimmer mit vielen Geschichten – es wirkt ruhig, aber es ist nur die Pause zwischen den täglichen Herausforderungen«, denke ich.

Foto: Ronny Kupke

Von der Morgentoilette, über das Herrichten der Betten und der Verpflegung bis zur Medikamentenausgabe – alles wird begleitet von einfühlsamen Gesprächen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern: Jeder Handgriff geprägt von Fürsorge, Respekt und Professionalität – auch wenn die Zeit oft knapp ist.

Zwischen Pflege, Wäsche, Dokumentation und einem Lächeln hier und da zeigt sich: Was hier täglich geleistet wird, ist kaum in Gold aufzuwiegen. Und doch wird es politisch oft nicht angemessen anerkannt.

Besonders überrascht hat mich ein Ehepaar, seit über 60 Jahren (!) verheiratet. Gemeinsam erlebten sie ein ganzes Leben, jetzt sind sie gemeinsam im Altenpflegeheim, teilen sich ein Zimmer mit Bad, und sind füreinander da.
Wenn Pflegekräfte ständig wechseln oder zwischen Wohnbereichen rotieren müssen, leidet darunter vor allem eines: die Verlässlichkeit im Alltag der Pflegebedürftigen. Für viele ist ein vertrautes Gesicht wichtiger als jede Maßnahme auf dem Papier.

In der Reflexion mit der Heimleitung wird deutlich: Es braucht dringend eine Beteiligung an den Investitionen durch das Land Sachsen für bauliche und technische Ausstattung. Zudem steht dem Personal häufig deutlich zu wenig Zeit für persönliche Zuwendung zur Verfügung, wodurch es zur »Fließbandarbeit« kommt – mit enormen Frustrationspotenzial auf beiden Seiten. Obendrein wird der Spagat zwischen steigenden Eigenanteilen – oft unbezahlbar – und dem Anspruch an eine würdevolle Versorgung zum Problem. Die steigenden Preise lassen sich häufig nicht mehr rechtfertigen.

Bild: Ronny Kupke

Pflege darf nicht zum Armutsrisiko werden – weder für die, die gepflegt werden – noch für die, die pflegen.

Dafür braucht es auf Bundesebene endlich den Mut zu einer echten Reform der Pflegeversicherung – solidarisch finanziert, verlässlich abgesichert, und mit einem klaren Versorgungsauftrag.

Ich nehme diesen Tag nicht nur im Herzen mit, sondern auch in unsere politische Arbeit.

Denn wer echte Verantwortung übernimmt, braucht mehr als Applaus, mehr als warme Worte von abgesicherten Posten herab. Es braucht Entlastung, Sicherheit und Respekt – im Alltag und im Haushalt.

Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass Pflege Zukunft und Gerechtigkeit hat.

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